Arktische Insel Jan Mayen, Expedition zum Beerenberg

News von unserer Reise nach Jan Mayen

Samstag, 1. Juli 2017

Abschied von Island, (nur Text)

> Es geht wieder Nachhause. Drei Wochen voller Erlebnisse, körperlicher und auch nervlicher Anforderungen sind vorbei. Das Fazit: alles hat geklappt, der Hakan Toppen, höchster Punkt am Beerenberg auf Jan Mayen wurde von Magnus, Wolfgang und mir erreicht. Das Wetter war exakt einen Tag gnädig. Dank dem großartigen Support des Aurora-Arktika Teams und dem Leiter der norwegischen Forschungsstation, gelang uns die Tour in einer super schnellen Zeit (unter 19 Stunden). Es war der längste Tag meines Lebens. 27 Stunden auf den Beinen, bei immer währender Sonne.

> Als Bonus gelang mir noch die Solo-Besteigung des Hvannadalsnukur, höchster Berg von Island. 2.150 Höhenmeter und knapp 25 Kilometer in unter 9 Stunden.

> Mit dieser Ausbeute gehe ich gern wieder heim. Was bleibt ist die Erinnerung an das Erlebte, die neuen Freunde, die Freude, dass der Plan aufgegangen ist und sich der ganze Organisationsstress im Vorfeld gelohnt hat.
>
> Danke an Siggi, Vedar, Sandrine und Magnus vom Team Aurora-Arktika, Tore, dem Leiter der norwegischen Forschungsstation auf Jan Mayen und danke all den anderen Menschen, die zum Gelingen des Projekts beigetragen haben.
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> Danke an die Sponsoren und Unterstützer, danke an unsere Familien, die ebenfalls zum Gelingen beigetragen haben.
> Danke an Wolfgang, dass Du mit dabei warst!
> Danke an Edith, die mit dabei war, aber auf Grund ihres Skiunfalls im März, leider nicht mit auf den Berg konnte.
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> Nun heißt es Bilder und Filme sortieren und bearbeiten, Vorträge vorbereiten und dann...das nächste Abenteuer planen.
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> Matthias Fieles alias Matze-Sherpa
>
> Matthias Fieles
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Abschied von Island

Es geht wieder Nachhause. Drei Wochen voller Erlebnisse, körperlicher und auch nervlicher Anforderungen sind vorbei. Das Fazit: alles hat geklappt, der Hakan Toppen, höchster Punkt am Beerenberg auf Jan Mayen wurde von Magnus, Wolfgang und mir erreicht. Das Wetter war exakt einen Tag gnädig. Dank dem großartigen Support des Aurora-Arktika Teams und dem Leiter der norwegischen Forschungsstation, gelang uns die Tour in einer super schnellen Zeit (unter 19 Stunden). Es war der längste Tag meines Lebens. 27 Stunden auf den Beinen, bei immer währender Sonne.

Samstag, 24. Juni 2017

Jan Mayen, Beerenberg

Jan Mayen, Beerenberg

Start am 10.06.2017

So viele Jahre habe ich von dieser Tour geträumt, nun soll es wirklich los gehen. Irgendwie noch ganz unwirklich.
Lebe Deinen Traum, ist einfach gesagt, nicht immer einfach umsetzbar, aber manchmal ist es eben möglich. Auch Dank unseren Familien und Freunden.

Edith und ich hatten zwei Jahre vorher, zu unserem runden Geburtstag begonnen Geld auf die Seite zu legen. Geschenke brauchen wir keine, wir haben alles. So kam aber dann eine wirklich sehenswerte Summe zusammen. Dies erleichterte uns natürlich die Organisation, gerade dieser Unternehmung ungemein.

Meine Eltern, speziell meine Mutter, hatten und haben da nicht immer Verständnis für unsere Touren. Trotzdem unterstützten sie uns sehr großzügig und informierten sich im Internet über unsere Reiseziele.
Mein Vater, inzwischen 85 Jahre alt, checkt auf seinem iPad die Informationen über unsere Ziele, das Wetter vor Ort und verfolgt über Facebook oder auf meiner Bergwaerts-Webseite und speziell bei dieser Tour über meinen Reiseblogg, was wir machen und wo wir gerade sind. So haben meine Leute Zuhause, doch ein bisschen das Gefühl dabei zu sein. Wir haben uns von allen verabschiedet, ich freue mich wer alles an uns denkt und Grüsse sendet. Ein wenig bin ich traurig, mein Sohn wollte vor Abreise noch vorbei schauen, hat irgendwie nicht geklappt, schade.

Der Volvo XC90 wird vollgeladen, unser Nachbar fährt uns zum Flughafen. Wir holen noch Wolfgang, den Dritten im Team, zuhause ab.
Nun ist selbst das Volvo Flaggschiff an der Beladungsgrenze angelangt, ich glaube ich brauche ein grösseres Auto 😉.
Mir wird ganz komisch wenn ich an den Check-In am Flughafen denke. Alle Packsäcke, Skibags, das Handgepäck, alles irgendwie zu schwer, zu gross.
Aber wir haben Glück, ein unglaublich fröhliches und sympathisches schweizer Mädel nimmt uns und unser Gepäck am Check-In Schalter in Empfang.
Als die Frage nach dem eigentlichen Endziel der Reise kommt und wir antworten: "Arktis — Jan Mayen", werden wir bestaunt und vermutlich auch ein bisschen belächelt. Der Abreisetag hat Temperaturen um die 30 Grad in Zürich, wir wollen in die Kälte, niemand versteht das, niemand mag das ;-)

Ohne irgendwelche Beanstandungen lässt sie, allein bei mir, die rund 8 Kilo an Mehrgewicht beim Gepäck durchgehen. Als Handgepäck habe ich ein Stück zuviel, eines davon, der Rucksack mit dem Kamera-Quadcopter, auch zu gross, geht ebenfall anstandslos mit an Bord.
Es wird ein äußerst komfortabeler Flug mit Islandair. Grosszügige Sitze, freundliches Personal, viel Platz für das Handgepäck, Lademöglichkeiten für die Elektronik und Internetzugang an Bord. Was braucht man mehr?

Angekommen in Kevlavik am Internationalen Airport haben wir nur sehr wenig Zeit für den Flughafenwechsel zum Domestic Airport Reykjavik.
Aber es vergeht allein eine Stunde bis wir unser Gepäck haben. Dann geht es mit dem Bus, 45 Minuten lang, zum Bus-Terminal und von dort noch einmal eine Viertelstunde mit dem Minibus zum Flughafen. Zweimal werden wir belächelt und bestaunt. Der Busfahrer des grossen Bus meint: oh yeah, cool you go for hunting? What a kind of riffle you have in you bags guy's? Er lacht sich schlapp als wir ihm sagen, es ist unsere Skiausrüstung in den Taschen. Hey guy's skiing? Serios? You kidding me, even in the north is summer.
Der Fahrer des Minibus reagiert ähnlich. He he, you go for fishing, very nice, good luck. Meine Erklärung betreffs Inhalt der Taschen und unserem Ziel, wird mit einem Schulterzucken quitiert. Die Zeit wird knapp, in einer Stunde soll unser Flieger gehen. Der Minibusfahrer erklärt uns, kein Problem, dass schaffen wir. Er hat jetzt eine Aufgabe, die Nordlandtouristen müssen zum Flieger. Er stellt kurzerhand die Tour so um, dass der Flugplatz zuerst angefahren wird, die Passagiere zu den Hotels haben Zeit. Wir hetzen zum Schalter. Die Lady am Desk ist tiefenentspannt. Cool down guy's, no reason for stress. Ihr habt genug Zeit, 30 Minuten vor Abflug ist normal, 10 Minuten vorher sind aber auch noch Ok. Da staunt der Vielflieger...
Die Gepäckbestimmungen bei Air Island Connect, sind wieder anders als auf den internationalen Flügen. Nur 20KG für das Hauptgepäck, 15KG für das Expeditionsgepäck, nur 6KG und deutlich kleinere Masse für das Handgepäck. Also ist alles was wir dabei haben nochmal deutlich schwerer und grösser als erlaubt. Aber wen juckt das, niemanden! Das Gepäck wird zum Flieger getragen, Sicherheitskontrolle? Gepäckkontrolle? Kein Mensch brauch das hier. Hier oben im Norden haben sich die Leute eben alle lieb. Der Zaun um den Flughafen dient eher dazu die Schafe davon abzuhalten auf die Rollbahn zu rennen. Einen entspannteren Flug habe ich noch nie erlebt. Die zweimotorige Propellermaschine vom Typ Bombardier fliegt relativ niedrig, wir geniessen tolle Blicke auf Berge, Gletscher und Meer.
Anflug auf Isfjördur. Die kleine Propellermaschine fliegt einen Bogen knapp an der Bergkette vorbei und knapp über dem Wasser. Dann sackt sie recht zackig ab und setzte auf, der Pilot bremst stark ab und wir brauchen nur zwei Drittel der ohnehin kurzen Start- und Landebahn. Fliegen können die also...

Minibus zum Gästehaus und Einzug in unsere Zimmer, dann ein völlig überteuertes Abendessen. Drei Hamburger, drei Bier kosten rund 90,-€. Welcom in the northwest of Island.

Unsere Gastgeber vom Gentle Space Guesthouse in Isafjördur sind äusserst nett und freundlich. Alles ist sauber und ansprechend eingerichtet. Aus unserer Sicht sehr empfehlenswert.

11.06.2017
Es ist taghell. Heller Tag, helle Nacht, heller Wahnsinn. Ich verliere jegliches Zeitgefühl. Die Zeitverschiebung sind nur zwei Stunden zurück, trotzdem ist man total unsicher wie spät es gerade ist. Wir streunen durch den kleinen Ort. 2.500 Einwohner, wo die sich wohl verstecken? Wir schlendern zum Hafen, treffen Siggi den Skipper und die Schiffscrew. Ich fliege im Hafen einige Trainingsflüge mit dem Quadcopter. Trotz GPS Selbststabilisierung usw. eine Herausforderung bei diesem Wind zu fliegen.
Wir gehen in ein Tai-Restaurant und essen lecker, preiswert ist aber anders.

12.06.2017
Schon einen Tag später werden wir gegrüsst und im Restaurant Hamraborg wie gute Freunde behandelt. Der Restaurantbesitzer setzt sich zu uns und fragt nach dem Woher und Wohin. Ein wirklich freundlicher Mensch, wir waren nun am Sonntag zum Frühstück hier und Montag zum Essen und zum Zeitvertreib.
Er zeigt uns ein Haus mit zwei Ferienwohnungen, die er selbst renoviert hat. Traumhaft. Wer dort hin will, dies ist ein echter Geheimtipp. Gerne gebe ich die Kontaktdaten weiter. Der Restaurant Besitzer bekommt mit das wir darüber diskutieren wie wir unser Gepäck vom Gästehaus zum Hafen bekommen. Er drückt mir seinen Autoschlüssel in die Hand und meint: "Stellt ihn wieder dort hin wenn ihr fertig seid." Die Isländer sind einfach unglaublich.

Abschied von Isafjördur
Seit Samstag, den 10.06.2017 sind wir nun unterwegs. Heute starten wir zur, für mich, spannensten Etappe unserer Tour, die Überfahrt von Isafjördur/Nordwest Island, in die Arktis nach Jan Mayen. Aber natürlich gibt es erst ein ausgiebiges Frühstück, ausgiebiges Mittagessen und ... ausgiebiges Abendessen, wir sind ja schliesslich mit "Matze-Tours" unterwegs. 😂😂😂

Ab heute Abend, gibt es dann nur noch den Schiffsfunk und sehr eingeschränkt, nur im Notfall, dass Satellitentelefon.

Trotz Expeditionserfahrung ist es für mich immer wieder spannend und aufregend. Dieses Gefühl in etwas Ungewisses, nicht komplett Kalkulierbares aufzubrechen, dass kann man einfach nicht beschreiben. Wir Menschen, vor allem wir hier im wohlhabenden Westen, sind im Kopf eben komplett auf unsere asphaltierte, durchorganisierte und mittels Versicherungen und Verträgen abgesicherte Welt, geprägt. Von Zeit zu Zeit brauche ich diesen Ausbruch aus dem System. Spüren das es Dinge gibt die wichtiger sind als unsere Alltagssorgen, Stress mit der Firma, dem Haushalt oder das da Dinge sind die grösser, mächtiger sind als wir Menschen. Das Meer, die Berge, die Natur. Erfurcht vor der Naturgewalt und ihrer Schönheit. Pures Glück wenn eine Tour gelingt, der Berg gnädig war und uns hinauf gelassen hat. Zu kapieren, wir können viel, aber eben nicht alles managen und bestimmen, zu spüren das man oft zu viel mehr in der Lage ist, als man sich selbst zutraut.

In ein paar Stunden heisst es "Schiff Ahoj und Leinen los"...sagt man das so? Habe keine Ahnung, bin eben doch mehr Bergsteiger als der Segler 😉

13.06.2017
Die erste Nacht auf See haben wir überstanden. So ganz wohl war mir nicht. Die Vessel schaukelt und stampft. Wir fahren die ersten Stunden nur mit Motor, da der Wind exakt von Norden kommt, also von vorn. Wir Frühstücken und versuchen mit dem Geschaukel klar zukommen. Auf Deck in der Kälte, sehen wir Eissturmvögel und ein paar Mal Walflossen und Atemfontänen von grossen Walen in der Ferne. Jeder versucht auf seine Weise die Zeit rum zubekommen. Ich liege seit Stunden in der Koje und schlafe, schreibe oder höre Musik.
Inzwischen fahren wir mit dem Hauptsegel und Motor, das macht das Boot schneller und angeblich auch ruhiger auf dem Wasser, merken kann ich das nicht. Wir fahren mit ca 7 Knoten, so um die 11 km/h.
Ich schaffe es den kompletten Tag in der Koje zu verdämmern. Der Käpten kocht gegen Abend eine schmackhafte isländische Fischsuppe. Es schmeckt, aber ich beschliesse mal den Magen nicht zu überladen. In diesem Leben werde ich voraussichtlich kein Seemann mehr werden.
Nach dem Essen haue ich mich wieder in die Koje und schlafe weiter. Erstaunlich wie lange man schlafen kann.

14.06.2017
Ein paar Mal werde ich in der Nacht wach. Manche Wellen hämmern mit lautem Knall gegen das Boot. Aber man gewöhnt sich an die Geräuschkulisse. Nun ist es kurz vor Acht (in Deutschland bereits um 10:00 Uhr) und mein Magen meldet Energiebedarf. Blöd, mir ist gar nicht nach Aufstehen.
Ich versuche irgendwann mich zu waschen, werde im winzigen Waschraum hin und her geworfen. Das Hauptsegel ist im Wind und das Schiff liegt ordentlich schräg im Wasser. Das und die ständige Schaukelei, die aber ohne Rythmus ist, machen es schwer stehen zu bleibe. Ich ziehe mich an und schaffe es gerade so mich wieder hinzulegen und zu verhindern das ich mich übergebe. Von was eigentlich, ist ja nix drin im Magen...
Bis Mittag um 13:00 Uhr dämmere ich im Halbschlaf in meiner Koje. Edith bringt mir eine Banane und etwas Kuchen.
Doch dann raffe ich mich auf und schaffe es wirklich zwei Teller von der leckeren Fischsuppe zu essen. Irgendwie geht es mir besser. Wolfgang und Edith machen einen fröhlichen Eindruck. Rolf sitzt in der Messe und arbeitet am Computer, die anderen 3 sind ebenfalls im Bett.

Veder, unser Käpten erklärt lächelnd: es gibt drei Stufen der Seekrankheit. Die erste ist die Angst vor der Seekrankheit, die zweite die Angst zu sterben, die letzte Stufe ist dann die Angst nicht zu sterben. Ok, auch eine Betrachtungsweise.

Nach zwei Stunden rumsitzen und Zeit vertrödeln, lege ich mich wieder in die Koje. Die See ist etwas rauher, der Motor läuft reduziert und die Segel sind im Wind. Ich habe das Gefühl wir sind nun deutlich schneller unterwegs. Es knallt teilweise brutal laut wenn der Schiffsrumpf durch die Wellen angehoben wird und wieder auf das Wasser schlägt. Muss mich nachher erstmal erkundigen wie schnell wir sind.
Die Wellen scheinen etwas höher, der Wind etwas stärker zu sein, das Schiff hat eine ziemliche Schräglage.

Am Abend gibt es Linsensuppe mit Wüstchen. Erstaunlicherweise kann ich ganz gut zulangen. Vorsichtshalber lege ich mich wieder ins Bett.
In der Nacht wird es richtig laut draussen, die Brecher rauschen über den Schiffsrumpf.

15.06.2017
Gegen morgen reduziert unsere Crew die Segel, das Schiff wird etwas langsamer, liegt weniger schräg im Wasser und es wird etwas ruhiger.
Ich versuche mich an der Morgentoilette, totale Fehlanzeige, das Gewackel sorgt sofort dafür dass mir wieder schlecht wurde. Also hau ich mich wieder in meine Koje. Zum Frühstück kann ich ganz ordentlich reinhauen und setze mich im Anschluss für zwei Stunden an Deck zu Sandrine, die am Steuer steht.
Der Seegang ist ganz erträglich. Dann wieder ab in die Koje, Hörbuch hören, Energie sammeln für den anstrengenden Aufstieg, der hoffentlich stattfinden wird. Gegen 17:00 Uhr die erste Sichtung von Jan Mayen. Irgendwo am Horizont taucht ein vager dunkler Strich auf. Zwischen Nebel, Wolken und grauem Meer glänzt südöstlich ein Eisberg in der Sonne, ein Kreuzfahrtschiff schippert in einiger Entfernung vorbei und dann taucht die Insel tatsächlich auf. Wir sind an Deck, es ist saukalt geworden, der Wind bläst ordentlich und die Steilküste von Jan Mayen, mit enormer Brandung und den aus den Wolken durchscheinenden Schneefeldern, macht einen wenig einladenden Eindruck.
Gegen 20:30 Uhr wird der Anker in der Kwalrossbukta geworfen und wir bekommen auf dem Schiff unser Abendessen. Dann wird der Abend doch noch stressig. Die Ausrüstung muss per Schlauchboot an Land gebracht, das Material dann noch einmal ca. 200 Meter landeinwärts geschleppt werden, die Zelte werden aufgebaut. Das Wetter ist zum Glück freundlich, der Wind eher schwach und es ist ca. 5 Grad warm. Weit nach Mitternacht isländischer Zeit, also nach 2:00 Uhr Jan Mayen Zeit, kriechen wir erschöpft in die Schlafsäcke. Obwohl ich todmüde bin dauert es ewig bis ich einschlafen kann. Ich bin "landkrank". Der Boden schwankt irgendwie und ich habe Sehstörungen.

16.06.2017
Es ist windig, relativ kalt und ungemütlich. Niemand mag aus dem Schlafsack raus. Spätes Frühstück und dann die Nachricht das ein Sturmtief rein zieht und uns am Abend erreichen wird. Deshalb wird es heute keinen Gipfelversuch geben. Das macht mir Sorgen, die Zeit ist knapp. Hoffentlich klappt es Anfang nächste Woche!
Wir präparieren die Zelte und alles Material nochmals für den angesagten Sturm. Schaufeln Sand rund um das Hauptzelt, graben tiefe Löcher und versenken dort grössere Steine um die dann die Zeltleinen gelegt werden. Dann wird das Ganze wieder zugebuddelt und mit Steinen oder grossen Treibholzstücken beschwert.
Wir beschliessen die Insel ein wenig zu erkunden. Wir laufen zur Nordlagune, fotografieren und geniessen die Landschaft. Sandrine und Magnus beschliessen, in der Nordlagune baden zu gehen.

Eine eigentümliche Stimmung liegt über der Szenerie. Auf dem Weg zur Nordlagune zeigt sich dann der Beerenberg durch die Wolken. Ein wirklich beeindruckender Berg. Wolfgang und ich wollen auf dem Rückweg über die Hügelkette zurück zu gehen. Am Ende des Tages werden es sechs der Hügel, ungefähr 580 Höhenmeter und 24 Kilometer. Magnus bereitet ein schmackhaftes Abendessen aus Süsskartoffeln, Nudeln, verschiedenen Gemüse und Würstchen. Er tauft die Kreation "Charmonix Explosion".
Es folgt eine wirklich stürmische, unruhige Nacht. Der Wind peitscht gegen das Zelt, es regenet.

17.06.2017 (isländischer Nationalfeiertag)
Spätes Frühstück, alles sitzt im Küchenzelt. Der Wind wütet und alles ist ständig mit Lavasand bedeckt. Es knirscht zwischen den Zähnen.
Für den Nachmittag ist ein Besuch in der norwegischen Forschungsstation geplant. Wir sind offiziell eingeladen. Also steht uns heute ein zweistündiger Marsch auf die Südseite der Insel bevor. Leider macht der starke Wind nicht den Eindruck, dass er nachlassen wird. Der Marsch über 9 Kilometer zur Station ist unangenehm, der Wind bläst brutal und mit jeder Böe wirft er einem Lavasand in's Gesicht. Ein sehr effektives Pieling. Wir nennen es "Jan Mayen Wellness". Es beginnt kurz nach Abmarsch zu regnen. Nach 9 Kilometer sind alle nass und durch geweicht. Shit, dass Zeug bekommen wir im Zelt und auf dem Schiff nie wieder trocken.
Aber was nun folgt at niemand von uns auch nur ahnen können. Der Stationskommandand ist gerade im Pool, einer seiner Mitarbeiter nimmt uns im Empfang, zeigt uns die Umkleideräume und Duschen. Die nassen Sachen werden in einen Trockenraum gebracht. Dann heisst es, wer möchte und Badesachen dabei hat, kann in den Stationspool "Playa de Alge" springen. Das Wasser hat 37 Grad, es wird mit der Abwärme des Stromgenerators geheizt. Edith lässt sich da nicht lange bitten. Wolfgang und ich gehen gepflegt duschen und verzichten auf den Pool. Anschliessend geht es in die Bar und wir bekommen ein Abendessen vorgesetzt und können Getränke unserer Wahl geniessen. Alles ist steuerfrei, so kostet das grosse Bier hier an der Bar nur 15 NOK also ungefähr 1,62€. Edith geniesst einen Mochito.
Die Leute zeigen uns die Station und sind unglaublich freundlich. Man freut sich sichtlich über die Abwechslung. Es wird ein langer und fröhlicher Abend. Um Mitternacht Ortszeit öffnet für uns der kleine Jan Mayen Store in der Station. Geschäftstüchtig sind die Leute. Alles Mögliche von Expeditions-Unterwäsche, über simple Souviniers, Aufkleber, Kaffeetassen, Messer oder die Möglichkeit Postkarten zu versenden, stehen uns zur Verfügung. So wird dann noch einiges an Umsatz gemacht. Üblicherweise sind die Kunden im Laden von den hin und wieder vorbei fahrenden Kreuzfahrtschiffen. So richtige Explorer kommen dann wohl doch sehr selten.

Der Stationskommandand, ist der einzige Militär auf der Insel, er hat ebenfalls die Polizeigewalt und ist somit der Chef des Mikro-Kontinent Jan Mayen. Kraft seines Amtes drückt er jedem von uns noch einen Jan Mayen Einreise-Stempel in den Pass. Unseren Gesprächen entnimmt Morten, einer der Stationsmitglieder, dass wir etwas knapp mit dem Trinkwasser sind. Sofort werden zwei grosse Behälter gerichtet und mit Trinkwasser gefüllt.

18.06.2017
Der Abend endet am Morgen gegen 2 Uhr Ortszeit. Man bringt uns mit dem Geländewagen zurück zu unserem Camp auf der Nordseite der Insel. Wir sind echt froh jetzt nicht noch zwei Stunden durch Sturm und Regen marschieren zu müssen.

Der Kommandant ist von unseren Beerenberg Touren Plänen angetan. Er möchte uns helfen und sagt er stellt uns einen Fahrer und Jeep zur Verfügung. Dieser soll uns dann soweit wie möglich an den Berg bringen und wenn wir zurück sind, sollen wir via Satellitentelefon Bescheid geben, er lässt uns dann wieder abholen. Das würde uns insgesamt ca. 10 Stunden sparen. Natürlich lassen wir uns da nicht lange bitten. Jetzt brauchen wir nur noch ein vernünftiges Wetter.

Wir schlafen bis 9:00 Uhr und frühstücken ausgiebig. Das Mannschaftszelt ist der einzige Ort ausser dem Schlafsack, wo man im Moment sein möchte. Dann geht alles recht schnell. Der Kommandant der Station funkt unseren Käpten auf dem Schiff an, dieser meldet sich bei uns. Das Wetter ist für den heutigen Tag gut angesagt, weniger Wind und das Wetterfenster ist schmal. Wenn wir vor dem Ablegen einen Versuch am Berg unternehmen wollen, dann jetzt. Also wird es hektisch. Rucksack packen, umziehen, Essen und Trinken richten. Irgendwann taucht der Stationschef mit einem Geländewagen auf und es geht los. Am Berg werden wir nun zu dritt unterwegs sein. Magnus aus Island, Wolfgang und ich. Tore der Kommandant sagt uns, dass er in der Station jetzt einen neuen Spitznamen hat. Man nennt ihn den "Tourismusdirektor" von Jan Mayen. Er fährt uns so nah es geht an den Berg, das spart uns ungefähr 15 Kilometer Fussmarsch durch das hügelige Flachland im Anmarsch und das dann auch auf dem Rückweg. Wir haben ein Satellitentelefon dabei und er besteht darauf das wir in anrufen wenn etwas passieren sollte und wenn wir ungefähr eine Stunde vor dem Abholpunkt sind.

13:45 Uhr starten wir dort wo das Auto im Gelände nicht mehr weiter kommt.
Einige Kilometer geht es durch Lavasand, mit Moos bedeckte Lavabrocken und vereinzelte Schneefelder. Hin und wieder greift uns eine Raubmöwe an, wenn wir ihrem Nest zu nahe kommen. Nach ca. 2 Stunden kommen wir an die ersten Ausläufer des Gletschers. Es geht relativ sanft ansteigend übe viele Stunden und etliche Kilometer bergauf. Das Wetter wechselt ständig. Leichter Wind, starke Böen, Sonne, Wolken und Nebel wechseln sich ab. Die letzten Stunden bis zum Nunataken ziehen sich, wir haben gute Sicht und es ist nun wirklich kalt geworden.
Kurz vor 20:00 Uhr erreichen wir den Nunataken, legen die Gurte und Steigeisen an, ich teile das Seil ein und Magnus geht voran und legt uns beiden "alten Säcken" eine gute Spur. Das macht es für uns deutlich angenehmer. Nach unserer wirklich kurzen Pause am Nunataken bin ich ziemlich ausgekühlt. Steigeisen anziehen, das Seil fertig machen, ich hatte die Handschuhe wohl einige Male zu oft ausgezogen, dass spüre ich jetzt. Meine Finger fühlen sich an wie ein Stück Holz, die Socken in meinen Schuhen sind leicht gefroren. Ich bewege die Finger und Zehen bei jedem Schritt. Nach einer gefühlten Ewigkeit, gegen 22:00 Uhr, wir sind bereits in der Schulter zum Kraterrand unterwegs, wird es besser und Finger sowie Zehen fühlen sich wieder normal an. Wir passieren etlich Spalten, eine davon wirklich gross mit einer schmalen Schneebrücke. Alles in allem aber keine technische Herausforderung. Das Gelände ist unglaublich weitläufig und man unterschätzt oft die Entfernungen. Immer wieder reisst jetzt das Wolkenband auf und gibt atemberaubende Blicke auf das Umland, den Gletscher und in Richtung Gipfel frei. Ich fühle mich fantastisch, habe genügend Power und trotz dem zunehmend stärker werdenden Wind, sind die Temperaturen auszuhalten. Schätzungsweise -7 bis -10 Grad werden es sein, im Wind ist das natürlich sehr unangenehm.

Wir erreichen den Kraterrand und queren unterhalb vom Wordietoppen in Richtung Hauptgipfel. Es folgen nun immer wieder Auf und Ab im recht steilen Gelände. Stellenweise ist die Sicht nur ein paar Meter, der Sturm fast unerträglich.

19.06.2017
Irgendwann nehmen wir den letzten Anstieg zum Gipfel und im selben Moment reisst die Wolkendecke auf, die Sonne strahlt uns an. Wolfgang, Magnus und ich stehen um 0:14 Uhr auf dem höchsten Punkt vom Beerenberg, dem Hakan Toppen. Die Sonne steht im Norden am Himmel. Nichts ist höher im weiten Umkreis, die nächst höheren Punkte sind der Galdhoppigen in Norwegen und die Gebirgen Grönlands.
Wir verweilen ungefähr 10 Minuten und steigen dann wieder Richtung Kraterrand ab. Der Wind nimmt einem stellenweise den Atem. Auf dem Rückweg nehme ich um 1:03 Uhr noch den Wordytoppen mit, er liegt einfach zu verlockend am Wegesrand. Die anderen Beiden laufen unterhalb des Gipfels daran vorbei. Ich muss mich dafür arg beeilen. Das Seil komplett ausgeben, vorlaufen, hochsteigen, Foto machen, Peakhunter GPS Tag setzen und wieder runter, Seil aufnehmen und so weiter.

Der Rückweg zum Nunataken erfolgt auf der gleichen Route und bringt uns das gleiche Wechselspiel des Wetters wie bisher. Windsstille Momente wechseln mit brüllenden Sturm, es beginnt zu schneien und kurz vor dem Nunataken klart es dann wieder auf. Meine Kleidung ist hart gefroren, die Jacke und Hose steif und unangenehm. Um 2:38 Uhr wieder am Nunataken legen wir Gurt und Seil ab. Wir essen schnell etwas. Mein Wasser ist in der Flasche gefroren, die gekochten Eier sind vereist. Ein wenig von der Büffelsalami, die Edith aus der Schweiz mitgebracht hat, wird dankend genommen. Auch diese Pause ist nur kurz, da wir sofort auskühlen. Wir sind jetzt seit knapp 13 Stunden ohne nennenswerte Pause unterwegs. Der restliche Abstieg wird etwas angenehmer, der Wind lässt nach, die Sonne kommt immer wieder hinter den Wolken vor. Wir drehen uns des öfteren um und erfreuen uns am Anblick des Berges. Er zeigt sich, was normalerweise nicht oft der Fall ist.
5:40 Uhr erreichen wir das Ende des letzten Schneefeldes und sind 6:33 Uhr wieder an der Stelle an der uns der Stationskommandand abholen will. Wir warten hier und ruhen uns aus.

Ich bin so glücklich, darüber dass Ziel erreicht zu haben und darüber das sich das viele Training ausgezahlt hat. Nicht einem Moment war ich mit meinen Kräften am Limit.
Wir hatten Glück mit dem Wetter, den Schneebedingungen. Auch wenn es nicht mit der Ski-Besteigung geklappt hat, wir haben ein Wetterfenster gefunden und der Berg war gnädig, wir waren oben, der Wind war stark und teilweise heftig, aber immer so das ein Aufstieg noch möglich war.

Wir werden abgeholt und erfahren noch einen weiteren grossartigen Service. Der Stationskommandand bringt uns Getränke und Schokolade mit. Er fährt und zur Forschungsstation, wir dürfen in der Station duschen, bekommen unsere Beerenberg Besteigungszertifikate, bevor wir wieder zurück bis in unser Camp gefahren werden. Das ist unglaublich! Hier warten unsere Leute schon. Wir werden begrüsst und beglückwünscht. Edith macht uns Spiegeleier und wir trinken ein paar Bier zum Frühstück oder ist es Mittagessen oder Abendessen, keine Ahnung. Wir sind jetzt rund 27 Stunden auf den Beinen und ich bin nun komplett platt. Ich glaube das wa der länste Tag meines bisherigen Lebens. Ich krieche in meinen Schlafsack und bin sofort weg. Der Abend wird ausgelassen und fröhlich, bei Kötbullar und Bier.

20.06.2017
Wir schlafen bis Mittag und Frühstücken spät. Das Wetter ist übel, es hat in der Nacht geregnet, alles ist nass und klamm. Da es ein bisschen aufreisst, beschliesse ich noch den Neumeyertoppen zu besteigen. Wolfgan und Ralf wollen mich begleiten. Die anderen unserer Gruppe wollen ebenfalls ein paar Spaziergänge machen. Letzlich werden es bei uns auch wieder mehr als 10 Kilometer und etlich Höhenmeter. Wir besteigen den Neumeyertoppen von der Südseite und steigen auf der Nordseite ab. Wir queren zum Haugenstranda.
Streunen durch das angeschwemmte Treibgut und wundern uns über den ganzen Müll der hier liegt. Selbst soweit im Norden ist der Strand voller Plastik. Dann klettern wir noch auf den Kwalrossen und fotografieren verschiedene Vogelarten. Wir gehen zurück zum Camp, das Abendessen
wird serviert, aufgeräumt und dann versammeln sich alle am Strand. Wir haben Treibholz für ein Lagerfeuer gesammelt. Bis weit nach Mitternacht sitzen wir am Feuer, erzählen, geniessen den letzten Abend auf der kalten, nassen und doch schönen Insel, am Ende der Welt.

21.06.2017
Früher Aufbruch, der Wind ist friedlich, der Nebel erträglich, es reisst stellenweise auf. Frühstücken, Camp abbauen, alles verpacken, alles zum Wasser schleppen. Dann muss alles wieder zum Schiff gebracht und verladen, verzurrt werden. Jeder richtet seine Koje und bereitet sich auf drei Tage Gewackel und Geschwanke vor. Wir gleiten bei sehr glatter See an der Insel vorbei. Alle sitzen an Deck und geniessen die Sonne, die sich überlegt hat mal durch die Wolken zu schauen. In einiger Entfernung von der Insel, kommt uns die Aida Sol entgegen. Ein riesiger Kasten 253 Meter lang, wir auf unserer Nußschale winken. Im Teleobjektiv kann ich die Leute an den Fenstern stehen sehen. Mir wird nun schnell langweilig, also beschliesse ich das Abendessen zu kochen. Es gibt Beinscheiben vom Lamm und Paprikareis. Alle sind zufrieden, es bleibt nichts übrig und Magnus leckt den Teller ab, schön.
Wir scherzen und reden noch eine Weile, dann geht es in die Koje.
Seit dem wir von der Insel entfernt sind und auf dem offenen Meer sind, sind die Wellen höher, die Schaukelei wieder stärker. Wir fahren jetzt mit dem Foksegel und Motorunterstützung. Es schwankt ordentlich. Trotzdem schlafe ich ganz gut.
22.06.2017
Bisher ein Tag ohne erwähnenswerte Ereignisse. Ausser das Edith beschlossen hat einen Kartoffelgratin zum Abendessen zu bereiten, ich werden dann dazu Kabeljau in Orangensauce zaubern. Soweit der Plan.
Die See wird rauher und alles wird durch das Schiff geschleudert. Edith versucht trotz dieser Bedingungen einen Apfelkuchen zu backen. Nachdem der erste fertig war für die Backröhre, flog das Blech quer durch die Kombüse und landete am Boden. Aber wenn Edith sich etwas in ihren Dickkopf gesetzt hat...Nachdem alles aufgeputzt war, startet sie einen zweiten Versuch, diese gelingt und bald durchzieht der Duft von frischem Kuchen das Schiff. Das lockt dann doch alle in die Messe. Zum Abendessen gibt es dann eine Pampe aus Kartoffeln, Hühnchenfleisch und keine Ahnung. Magi tauft es Survival-Stew. Nachdem Essen gehe ich wieder in die Koje, alles andere ist zu anstrengend. Musik hören, vor mich hin dämmern.

23.06.2017
6:00 Uhr werde ich wach, Hunger, Durst. In der Kajüte ist es klamm und feucht. Das Schiff tanzt auf den Wellen und im Schiff ist das dann wirklich ungemütlich. Windstärke 7 und 4 Meter hohe Wellen. Kaffee fällt aus, das hantieren mit kochendem Wasser wäre viel zu gefährlich. Den Tag verdämmere ich fast vollständig in der Kajüte. Ankunft in Isafjördur 20:50 Uhr.

72 h Hinfahrt, 56 h Rückfahrt, Speedrekord auf dieser Strecke um nur 3 Stunden verpasst, 4m Wellen, Windstärke Beauford 7, Sturmwarnung.


Matthias Fieles
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